Seasons Island Mysteries

Als Hugo am Abend klopfte, öffnete sie ihm mit dem kleine Oregon auf dem Arm. Hugos Blick wanderte zu ihrem Bauch. "Ist das...?", fragte er mit erstauntem Blick, als hätte er noch nie ein Baby gesehen. Tennessee lächelte ihn stolz an. "Ja, das ist... unser Sohn."



Vorsichtig nahm Hugo den kleinen auf den Arm. Ein liebevolles Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit und Tennessee wusste, er würde Oregon ein guter Vater sein, der beste. Auch falls sie nicht wieder zusammenkommen sollten.

Wenige Tage später berichtete ihr Hugo, der nun fast täglich bei Tennessee vorbeikam, dass Arizona ein kleines Mädchen zur Welt gebracht hatte, Virginia. Tennessee überlegte, ob sie ihrer Schwester einen Besuch abstatten sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Sie hatte wenig Lust im Gesicht ihrer Nichte nach Anzeichen dafür zu suchen, wer der Vater war oder gar Arizona danach zu fragen. Am allerwenigsten aber wollte sie von ihrer Schwester gefragt werden, wer Oregons Vater war.

Hugo kümmerte sich hingebungsvoll um "seinen" Sohn, sodass Tennessee langsam begann, sich bezüglich der Vaterschaftsfrage zu entspannen.

Die eisige Kälte des Winters hatte durchaus angenehme Seiten. Neben der herrlichen Landschaft an sonnigen Tagen



sorgte sie auch dafür, dass die Paare der Insel "eng zusammenrückten". Die Reihe der Geburten in dieser winterlichen Zeit riss nicht ab. Kurz bevor Milena von ihrem dritten Sohn, Gargamel, entbunden wurde,



erfuhr Tennessee, das Griselda ebenfalls ein drittes Kind erwartete. Und als Oregon seinen Geburtstag feierte, erschien Milena bereits wieder mit einem ziemlich dicken Bauch, obwohl sie nun schon 3 Kleinkinder zu versorgen hatte.

Milena hatte Tennessees vollste Bewunderung. Sie merkte selbst, wie anstrengend es war, einem Kind alles Wichtige beizubringen.



Ihren Gemüseanbau hätte sie wohl schon mit nur einem Kind vergessen können, wenn Hugo nicht regelmäßig vorbeigeschaut und sich um Oregon gekümmert hätte.

Der Kleine war ein aufgewecktes Kerlchen, das überall seine Nase oder besser seine Finger hineinsteckte. Schon bald konnte er laufen



und Tennessee konnte ihn keine Minute unbeaufsichtigt lassen. Ständig war sie in Sorge wegen der Nähe des Meeres.

Trotz der vielen Pflichten, die sich für Tennessee aus der Erziehung ihres Sohnes, der Versorgung der Tiere und dem Gemüseanbau ergaben, war dies die schönste Zeit, die sie bisher auf Seasons Island erlebt hatte, denn Hugo kümmerte sich nicht nur liebevoll um Oregon. Er begann auch wieder Zärtlichkeiten mit ihr auszutauschen, sodass sie sich wieder als Paar betrachten konnte.



Gelegentlich blieb er sogar über Nacht.

Doch natürlich gab es auch einen Wehrmutstropfen in dieser Zeit. Eines Tages stand Robin erneut unangemeldet in der Tür.



"Was beschert mir die Ehre deines Besuches?" Tennessee war entschlossen, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen und Robin einfach wie einen guten Freund zu behandeln, obwohl ihr Herz noch immer wild zu pochen begann, wenn sie ihn sah. "Ich möchte endlich meinen Sohn kennenlernen", platzte er unumwunden mit seinem Anliegen heraus. Tennessees Herz begann noch schneller zu schlagen. Das mit der Ruhe konnte sie vergessen, aber es musste ihr wenigstens gelingen, entspannt zu wirken. "Ich weiß nicht was du meinst, Robin", entgegnete sie möglichst gelassen. "Wir hatten einen lustigen Nachmittag, mehr nicht. Das Kind ist nicht von dir. Da bin ich mir ziemlich sicher." "Wie sicher ist denn "ziemlich" sicher?", hakte er nach. Sie schluckte. Sie musste sich unbedingt besser überlegen, was sie sagte. "Ich habe zwei Tage nach unserem gemeinsamen Nachmittag meine Regel bekommen. Reicht dir das als Antwort?" Robin hockte sich zu Oregon auf den Boden und flagste ein wenig mit ihm herum, während Tennessee die beiden stumm beobachtete.

Als Robin wieder aufstand, fauchte sie ihn böse an: "Kannst du jetzt endlich wieder gehen? Du hast mein Leben oft genug durcheinander gebracht. Oregon ist Hugos Sohn, so sehr du dir auch wünschst, es wäre anders." Robin stand nun dicht vor ihr. Er tastete vorsichtig nach ihrer Hand, aber sie zog sie weg, als hätte sie eine heiße Herdplatte berührt.



"Schau mich an", flüsterte er sanft und kam noch ein wenig näher. Sie hätte nun aufschauen müssen, um in seine Augen zu sehen und hatte Angst, tief einzuatmen, weil sie sich dann berührt hätten. "Wessen Gesicht siehst du, wenn du deinen Sohn betrachtest?" Das flache Atmen reichte, um seinen Duft aufzunehmen. So vertraut, schon seit ihrer Kindheit. Sie waren verbunden, das wusste sie. Sie liebte ihn, das wusste sie. Er hob ihr Kinn vorsichtig mit einem Finger und sie war gezwungen, ihm in die Augen zu sehen. Er wusste es auch.

"Ness? Bist du zuhause?" Erschrocken wich sie einen Schritt zurück und stieß dabei polternd den Stuhl um. Die Tür wurde aufgestoßen und Hugo kam herein. "Ist etwas passiert?", fragte er aufgeregt. "Nein, es ist alles in Ordnung", antwortete Tennessee und hob den Stuhl auf.



"Oh, du hast Besuch." Hugos Stimme klang leicht, so als hätte er sie bei einem Kaffeekränzchen mit Griselda überrascht. "Ja, Robin braucht einen Erkältungstrank", log sie, von der Situation leicht überfordert. "Ich laufe schnell hoch und hole ihn." Hugo hockte sich zu Oregon auf den Boden. "Na mein Großer, was hast du denn heute schon alles angestellt? Willst du nachher noch einen Schneemann mit Mami und Papi bauen?" Er stand wieder auf und ging zum Herd. "Wollen sie noch einen Tee mit uns trinken? Der Weg nach Hause ist weit." Seine Stimme klang freundlich, aber er sah Robin nicht an.



Tennessee kam mit einer Flasche in der Hand die Treppe herunter. "Nein", antwortete sie für Robin. "Er hat es eilig." Sie drückte ihm den Erkältungstrank in die Hand und öffnete die Tür. "Danke", murmelte Robin und verließ widerstrebend die Hütte.

"Was wollte er?", fragte Hugo. "Einen Erkältungssaft, das hast du doch gesehen." "Ich habe etwas anderes gesehen, Ness. Habe ich verdient, dass du mich belügst?" Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Natürlich wollte sie ihn nicht belügen, aber die Unterhaltung mit Robin würde ihn nur unnötig schmerzen.

"Weiß er es?", hörte sie ihn unvermittelt fragen. "Weiß er was?" Entweder platzte er fast unhöflich direkt mit seinen Fragen heraus oder er sprach in Rätseln. Ein Dazwischen gab es für Hugo nicht. "Weiß er, dass Oregon sein Sohn ist?" Tennessees Herz blieb fast stehen. Einen Moment herrschte Totenstille, dann zwang sie sich, tief einzuatmen. "Wie meinst du... Wieso...? Du bist ..." "Schschscht...", machte er. "Sprich nicht weiter, wenn du doch weißt, dass es die Unwahrheit ist." "Aber...", setzte sie erneut an. "Ness", sagte er ruhig und nahm ihre Hand. "Sie dir unseren Goldschatz an." Er strich Oregon liebevoll über den Kopf. "Er hat keinerlei Ähnlichkeit mit mir." "Er kommt eben mehr nach mir", versuchte sie weiter die Wahrheit zu leugnen. "Er hat keinerlei magische Fähigkeiten", fuhr Hugo in seiner Aufzählung fort. "Das kann noch kommen. Er ist doch noch so klein. Und nicht alle Kinder erben die Magiefähigkeit. Snoopy kann auch nicht..." "Ness, er sieht aus, wie dein Freund Robin", schloss Hugo traurig, aber energisch. Er wusste es schon lange, aber es auszusprechen war etwas anderes.

"Ich bringe Oregon ins Bett. Er sollte das nicht hören", sagte sie leise und stieg mit dem Kind auf dem Arm die Treppe hinauf. Hugo hatte Recht. Sie hatte es vom ersten Tag an gewusst. Es konnte nicht anders sein, sosehr sie auch versuchte, rechnerisch das Gegenteil zu beweisen. Se hatte es nicht wahrhaben wollen, sich immer neue Möglichkeiten überlegt, wie sie vor sich selbst begründen konnte, dass Hugo der Vater war. Aber sie hatte sich nur selbst belogen.



Vorsichtig gab sie Oregon einen Kuss und ging dann wieder hinunter zu Hugo, der mit einem Tee am Küchentisch saß.

Ihre Knie zitterten. Wie eine alte Frau musste sie sich auf dem Tisch abstützen, als sie sich setzte. "Was wird jetzt?", fragte sie ängstlich. "Wir werden eine glückliche Familie sein", sagte Hugo leicht. "Ich weiß es schon sehr lange, und dir war es doch auch vom ersten Tag an klar. Es hat sich also nichts geändert. "



"Aber Robin weiß...", setzte sie an. "Was Robin weiß oder glaubt zu wissen, sollte uns egal sein, Ness. Er muss allein einen Weg finden, mit den Gegebenheiten klar zu kommen. Wir drei sind eine Familie, wir drei gehören zusammen. Es sei denn, du siehst das anders." "Nein." Ihre Antwort war ehrlich. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie Hugo liebte, und in Robin "nur" verliebt war. Hugo war der Mann, mit dem sie ihr Leben teilen wollte, auf den sie sich bedingungslos verlassen konnte. Er würde sein Leben opfern, um das ihrige zu schützen. Und umgekehrt war es genauso.




Ihre Verliebtheit mit Robin entsprang nur den vertrauten Erinnerungen an ein anderes Leben, eine andere Zeit und dem Wunsch nach Aufregung, Geheimnis und Abenteuer.

Wenige Tage nach diesem unerwünschten aber klärenden Zwischenfall brachte Griselda ihre Tochter Chienne zur Welt und Tennessee machte sich auf den Weg, dem Broom-Haushalt einen Besuch abzustatten und die neue Inselbewohnerin zu begrüßen.



Sie musste feststellen, dass sie die Freundin schon viel zu lange nicht zuhause aufgesucht hatte. Die "kleine" Bellis war bereits zu einem aufsässigen Teeenager herangewachsen...



und auch Snooopy ging bereits zur Schule.

Ein wenig traurig berichtete Griselda, dass ihr Sohn nun zu seinem Vater gezogen war.



Er lebte in seiner kleinen Hütte, die nur Platz für das Notwendigste bot.




Neben dem Haus gab es noch einen Stall für die vielen Tiere, die in dieser unwirtlichen Zeit Hilfe zum Überleben benötigten.

Immerhin schien es Snoopy bei seinem Dad sehr gut zu gehen. Trotz seines wölfischen Wesens kümmerte er sich rührend um seinen Sohn.



Vorwiegend, und dies war ja auch der eigentliche Grund für den Umzug gewesen, lernte Snoopy jedoch, sich wie ein zivilisierter Simwolf zu verhalten. Er übte das Jagen...



und heulte gemeinsam mit seinem Vater den Mond an.

Auch Milenas Ältester Esiriel war nun alt genug, in die Schule zu gehen.



Er traf sich häufig mit Snoopy. Die beiden waren beste Freunde und spielten häufig gemeinsam.



Esiriel machte es nichts aus, das Snoopy ein Simwolf war. Er hielt sich oft bei seinem Freund und dessen Vater auf und brachte nicht selten seinen Schlafsack mit, um in der winzigen Hütte auch über Nacht zu bleiben.

Milena war froh darüber, dass Esiriel nun nicht mehr so viel Aufmerksamkeit benötigte und auch gelegentlich außer Haus schlief. In dem kleinen Anwesen auf den Klippen wurde es ihr langsam viel zu eng. Aber Xavi wollte auf keinen Fall umziehen. Hier hatte er die wertvollen wenigen Jahre mit seinen Eltern und ein wenig Zeit mehr mit seinem Großvater verbracht.

Sie liebte ihren Mann. Die vielen Kinder entsprangen einer gegenseitigen Leidenschaft, aber manchmal wusste sie einfach nicht, wo in diesen beengten Verhältnissen sie noch ein wenig Ruhe finden konnte, um sich auf das nächste Kind vorzubereiten. Während Xavi daran arbeitete, seine Fähigkeiten in der Zauberkunst zu vervollständigen und sich zusätzlich noch intensiv mit der Astronomie beschäftigte, bestand Milenas Tag (und meist auch die Nächte) aus Windeln, Brei und Kleinkindgeplapper. Sie funktionierte, weil es anders nicht ging, aber sie konnte sich kaum mehr an ihren Kindern erfreuen. Als die Wehen einsetzten, suchte sie verzweifelt wie ein Tier nach einem ruhigen Ort in ihrem Zuhause, wo sie das Kind zur Welt bringen konnte, war aber erfolglos.

Unter Schmerzen verlies sie schließlich das Haus um irgendwo da draußen einen Platz für die Geburt zu finden.

Schließlich war es Tennessee, die auf dem Heimweg die erschöpfte Milena in der Nähe ihrer Hütte fand. Mühsam stützte sie die Freundin und brachte sie ins Warme. Sie half ihr, auf den Teppich vor dem Kamin und sah nach, wie weit die Geburt schon vorangeschritten war. Das Köpfchen des Kindes war bereits zu sehen und Tennessee blieb nicht einmal Zeit, Wasser und ein Messer abzukochen, schon hielt sie den kleinen Rumburak im Arm. Sie war froh, dass Milena keine Erstgebärende war und dieses 4. Kind geradezu herausgeflutscht war. Ein Wunder, dass die Freundin es mit den Wehen überhaupt noch so weit geschafft hatte.

Tennessee zog dem Säugling ein altes Hemdchen von Oregon an und wickelte ihn in ein Tuch. Dann half sie Milena, sich zu waschen, setzte sie in den Schaukelstuhl vor dem Kamin und legte ihr das Baby in den Arm. Eigentlich hätte sie sich jetzt entspannen können. Alles war gut verlaufen, aber Milena verhielt sich merkwürdig. Während der Geburt hatte sie keinen Laut von sich gegeben und saß auch jetzt völlig teilnahmslos da. Sie würdigte ihren Sohn keines Blickes und war auch nicht dazuzubewegen, den Kleinen zu stillen.



Ein Felsen fiel Tennessee vom Herzen, als Hugo nach einigen Stunden endlich vorbeikam. Da Milena noch immer nicht ansprechbar war, machte er sich sofort auf den Weg zu Griselda, die Chienne noch stillte und sich glücklicherweise bereit erklärte, Milch für den fremden Säugling abzupumpen. Alle hofften, dass sich Milena schnell wieder fangen würde, aber sie blieb teilnahmslos. Stattdessen zeigte sie eine heftige Reaktion, als Hugo mit Xavi eintraf, der Frau und Kind nach Hause holen wollte. Mit Händen, Füßen und lautem Geschrei wehrte sie sich dagegen, die Hütte am Meer zu verlassen. Xavi musste allein zu seinen anderen Kinder zurückkehren und Tennessee blieb nichts anderes übrig, als die Freundin samt Säugling bei sich aufzunehmen.

Tennessee legte das Baby ins Kinderbettchen und ließ Oregon und Milena gemeinsam in dem großen Doppelbett schlafen.



Sie selbst gab sich mit dem Schaukelstuhl zufrieden, in dem sie nur einen unruhigen Schlaf fand.

Als sie mitten in der Nacht von einem eisigen Luftzug geweckt wurde, stand die Haustür auf. Sie dachte zunächst, dass der Wind die Tür aufgedrückt hätte und schloss sie leise wieder. Doch als sie hinüberging, um nach Milena zu schauen, war die andere Hälfte des Bettes leer. In Panik rannte sie durch das kleine Haus und guckte in jeden Winkel, doch sie konnten ihren Sohn nicht finden. Er musste hinausgelaufen sein, als sie eingeschlafen war.

Planlos rannte sie hinaus in die eisige Nacht und rief nach Oregon. Das Meer wirkte bedrohlich wie nie zuvor, der Strand endlos. In welcher Richtung sollte sie suchen? In Ermangelung einer besseren Idee entschied sie sich schließlich, das Ufer in Richtung Osten abzusuchen, wo sie nach einer schier endlos erscheinenden Zeit das Haus von Griselda erreichte. Die Freundin machte sich sofort auf den Weg, Hugo und die anderen Inselbewohner zu verständigen. Sie hoffte inständig, dass der Kleine nicht vom Meer erfasst worden war. Aber selbst wenn er über die Insel irrte, musste er schnell gefunden werden, bevor er erfror. Wie eisig es draußen war spürte nun auch Tennessee, die in der Aufregung ohne Jacke hinausgelaufen war.



Griselda schickte die durchgefrorene Freundin nach Hause. Vielleicht war Oregon noch in der Nähe der Hütte und fand den Weg alleine heim. Es war nicht davon auszugehen, dass Milena in der Lage sein würde, in diesem Fall das Kind zu versorgen. Außerdem brauchten die Helfer eine Anlaufstelle.

Voller Hoffnung eilte Tennessee zurück, aber Oregon war nicht heimgekehrt. Um sich zu beschäftigen kochte sie einen riesigen Topf Tee und einen weiteren mit Spaghetti für die Helfer. Sie füllte sich selbst einen Teller, bekam jedoch keinen Bissen hinunter. Minuten wurden zu Stunden, Stunden zu Tagen. So kam es ihr jedenfalls vor. Weinen hätte ihr sicherlich Erleichterung verschafft, aber sie wollte keine unnütze Träne vergießen. Das wäre ihr wie ein Todesurteil vorgekommen. Noch war nichts verloren, noch gab sie die Hoffnung nicht auf. Warum also weinen? Alles würde gut werden.

Hoffnungsvoll schrak sie auf, als ein Kinderweinen die nächtliche Stille zerriss. Doch es war nur Rumburak, der nach seiner Frühmahlzeit verlangte. Sie erwärmte etwas Milch und fütterte das fremde Baby. Zorn auf den Säugling stieg in ihr auf. Wäre er nicht gewesen, hätte Oregon sicher in seinem Gitterbettchen geschlafen, warm und geborgen. Sie war froh, als das Fläschchen leer war und sie das Kind wieder weglegen konnte. Doch der Kleine wollte nicht wieder einschlafen und schrie. Und so nahm sie das kleine Wesen wieder auf und trug es herum. Draußen wurde es schon hell. Mit dem Kind auf dem Arm ging sie hinaus, doch der Strand war simleer.

Gerade wollte Tennessee ins Warme zurückkehren, als sie Hugos rufen hörte: "Ness! Ness! Ich habe ihn! Wir haben ihn gefunden!"

Sie drehte sich auf der Türschwelle um und sah Hugo auf die Hütte zulaufen. Auf dem Arm trug er Oregon, dem das Wippen durch den schnellen Lauf zu gefallen schien. Atemlos verlangsamte Hugo seinen Schritt, als er sah, dass Tennessee ihn bemerkt hatte.

Überglücklich schloss sie ihre Familie in die Arme, dann eilten sie in die schützende Wärme des Hauses. Milena war zwischenzeitlich aufgestanden und hatte ihren Platz im Schaukelstuhl eingenommen, von woaus sie unentwegt in die Flammen des Kamins starrte. Sie hatte von all der Aufregung nichts mitbekommen, zumindest war es ihr nicht anzumerken.



Tennessee spürte, wie die Situation sie an ihre Grenzen brachte. Sie wünschte sich, die Freundin würde mit ihrem Kind wieder nach Hause ziehen. Aber sie merkte auch, dass Milena noch nicht bereit dafür war.



Eine Weile musste sie wohl noch durchhalten.

Als Milenas zweiter Sohn Catweazle alt genug für die Schule war, hatte sich ihr Zustand wesentlich verbessert und Tennessee wagte einen erneuten Vorstoß.



"Milena, wir müssen uns unterhalten", begann sie vorsichtig. "Ich weiß schon worum es geht", antwortete diese. "Du willst, dass ich wieder zu Xavi und den Kindern ziehe." Oh ja, sie wollte es wirklich inbrünstig. Nie war ihr die Hütte so klein vorgekommen wie in den letzten Wochen. Rumburak würde bald anfangen zu krabbeln und dann musste sie sich um noch ein Kleinkind kümmern. Ja, natürlich wollte sie, dass Milena auszog, aber das klang ja fast, als würde sie sie rausschmeißen. "Hör zu", setzte sie an. "Es ist ok", fiel ihr Milena überraschenderweise ins Wort. "Ich beginne tatsächlich langsam, meine anderen Söhne zu vermissen. Und Xavi sowieso. Ich hoffe nur, ich bin schon soweit. Auch wenn du dir viel Mühe mit mir gegeben hast, war es eine schlimme Zeit für mich und ich möchte so etwas nie wieder erleben."

"Du bist eine unglaubliche starke Frau, Milena. Du solltest es versuchen. Und wenn es nicht geht, finden wir eine andere Lösung. Das verspreche ich dir."



Milena kehrte mit Rumburak am nächsten Tag nach Hause zurück. Tennessee war sehr erleichtert. Was sie gesagt hatte, hatte sie ehrlich gemeint. Milena war stark. Das Leben hatte es von ihr gefordert. Tennessee erinnerte sich noch schwach an Stupi Ink, Milenas herrischen und aufbrausenden Vater. Ihre Kindheit war schon nicht leicht gewesen. Dann der unfreiwillige Umzug ohne Mutter nach Seasons Island, das "Verschwinden" ihres Großvaters Cedric, der sich in Luft auflöste, weil er seine Urne vergessen hatte. Als Teenager hatte sie bereits Arizonas Haushalt geführt und war dann an Xavi "weitergereicht" worden, der sie zwar innig liebte und verehrte, dessen Liebe aber schlussendlich zu Milenas Überforderung geführt hatte. Milena war stark. Da hatte sie nicht gelogen. Aber als sie kurze Zeit nach deren Rückkehr erfuhr, dass diese erneut schwanger war, fragte sie sich, ob die Freundin auch stark genug für dieses ihr zugedachte Leben war.